Freitag, 28. März 2008

Die Rolle der Zeitarbeit in einem sich ändernden Arbeitsmarkt

von
Prof. Dr. Meinhard Miegel
Stefanie Wahl
Martin Schulte
Gutachten gefördert durch die DIS AG


Neben ihrem Flexibilisierungspotential verfügt die Zeitarbeit,
bei der Standardzeitarbeit und hier insbesondere
bei Hilfs- und einfachen Fachtätigkeiten über beachtliche Lohnkosten-
vorteile.Ob diese Lohnkostenvorteile künftig bestehen bleiben, ist allerdings
fraglich. Dafür sprechen Lohnabschlüsse, die alles in allem noch im-
mer recht moderat sind.

Dagegen sprechen die stärker werdenden
Initiativen von Gewerkschaften und Teilen der Politik, die Einkommen
von Zeitarbeitskräften denjenigen von Stammarbeitskräften tendenziell
anzugleichen, um auf diese Weise Kostenvorteile von Zeitarbeitskräf-
ten zu beseitigen. Welcher Trend sich im Ergebnis durchsetzen wird,
ist derzeit nicht vorhersagbar. Zumindest kurzfristig ist eine stärkere
Regulierung der Zeitarbeit nicht auszuschließen.


Zeitarbeit ermöglicht ihnen, sich
wechselnden beruflichen Herausforderungen zu stellen, an verschie-
denen Orten zu arbeiten und Auszeiten nehmen zu können. Zugleich
können sie besser anderen Interessen wie Hobbys, Weiterbildung,
Reisen usw. nachgehen.


Mit der Ausbreitung nicht-konventioneller Erwerbsformen werden die
Erwerbsverläufe vieler Arbeitskräfte immer unsteter. Im Laufe ihres
Erwerbslebens können sie mehrfach arbeitslos werden und in ver-
schiedenen konventionellen und nicht-konventionellen Beschäfti-
gungsverhältnissen tätig sein. Das aber heißt zugleich: Sie müssen
sich auch häufiger als bisher eine neue Beschäftigung suchen. Dabei
wächst der Druck, dies jeweils möglichst schnell zu tun. Denn Phasen
der Erwerbslosigkeit können aufgrund verminderter Arbeitslosengeld-
leistungen und -bezugszeiten, geringer Vermögensfreibeträge, stren-
gerer Zumutbarkeitskriterien und verpflichtender Arbeitseinsätze sowie
der geringen Bereitschaft von Unternehmen, Langzeitarbeitslose ein-
zustellen, immer schwerer durchgehalten werden.

Technischer Fortschritt, wirtschaftlicher Strukturwandel und Globalisie-
rung werden diesen Trend verstärken. Er zwingt Unternehmen, den
Einsatz von Arbeitskräften noch weiter zu optimieren. Im Rahmen kon-
ventioneller Erwerbsformen ist dies, je-
doch nur begrenzt möglich. Deshalb weichen Unternehmen auf Er-
werbsformen aus, bei denen Arbeitskräfte flexibler einsetzbar, leichter
kündbar und oft auch kostengünstiger sind

2005 gab es in Deutschland knapp 41,2 Millionen Erwerbspersonen,
die entweder erwerbstätig oder arbeitslos waren. Nach einer Prognose
des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordung (BBR) steigt deren
Zahl, wie Tabelle 4 zeigt, bis 2015 auf 42,1 Millionen an. Anschließend
geht sie bis 2020 demographiebedingt auf ihr heutiges Niveau zurück.
Ihr Anteil an der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter erhöht sich im
gleichen Zeitraum von 74,7 auf rund 76,7 Prozent. Damit verfügt ins-
besondere die Standardzeitarbeit über ein großes Reservoir an Ar-
beitskräften

In den kommenden zehn bis fünfzehn Jahren wird das Arbeitskräfte-
angebot in Deutschland hoch bleiben. Zwar rücken aufgrund der an-
haltend niedrigen Geburtenraten immer weniger junge Erwerbsper-
sonen nach. Diese Ausfälle dürften jedoch durch Zuwanderung,eine
weiter steigende Erwerbsbeteiligung von Frauen
sowie die spätere Beendigung und den früheren Beginn
des Erwerbslebens ausgeglichen werden

Neben der steigenden Nachfrage nach Zeitarbeitskräften wird insbe-
sondere die Standardzeitarbeit durch ein anhaltend hohes Arbeitskräf-
teangebot begünstigt werden. Zwar wird die Zahl der Erwerbspersonen
in den kommenden zehn bis fünfzehn Jahren - wenn überhaupt - nur
geringfügig zunehmen. Doch wird die Zahl konventioneller Erwerbs-
formen, das heißt dauerhafte, sozialversicherungspflichtige Vollzeit-
beschäftigung, weiter zurückgehen. An ihre Stelle werden vermehrt
Erwerbsformen treten, die zeitlich befristet, arbeits- und sozialrechtlich
weniger abgesichert und häufig auch geringer entlohnt sind.

Neben der Nutzung interner und externer Flexibilisierungsinstrumente
wie Zeitarbeit dürften künftig Unternehmen in Deutschland aus Kosten-
gründen vermehrt Aufgaben an andere Unternehmen - unter ihnen
auch Zeitarbeitsunternehmen - übertragen. Im Zentrum werden dabei
Outsourcing-Vereinbarungen stehen, bei denen Personaldienstleister
im Rahmen von Dienst- oder Werkverträgen die Abwicklung kompletter
Aufgabenbereiche übernehmen. Im europäischen Vergleich ist dies in
Deutschland noch nicht weit verbreitet. Allerdings plant Umfragen zu-
folge fast jedes dritte Großunternehmen in Deutschland, Aktivitäten
innerhalb Deutschlands auszulagern.

Neben dem produzierenden Gewerbe wird die Zeitarbeit vermehrt im
Dienstleistungssektor zum Einsatz kommen. Allerdings bleibt hier die
Konkurrenz zu anderen externen Flexibilisierungsinstrumenten beste-
hen. Insbesondere bei den produktionsferneren Dienstleistungen wer-
den auch künftig vorrangig befristet Beschäftigte und Aushilfen heran-
gezogen werden. Bei personenbezogenen Dienstleistungen dürfte
weiterhin die geringfügige Beschäftigung anderen externen Flexibilisie-
rungsformen überlegen sein. Das gilt allerdings nur solange wie ihre
Lohnzusatzkosten gering sind. Sollte sich dies ändern, könnte auch
hier Zeitarbeit vermehrt nachgefragt werden. Dagegen könnte im pro-
duzierenden Bereich und bei produktionsnahen Dienstleistungen Zeit-
arbeit der befristeten Beschäftigung häufiger als bisher den Rang ab-
laufen. Zwar ist der Anteil befristet Beschäftigter gegenwärtig mit reich-
lich sieben Prozent aller Beschäftigten rund dreimal höher als der der
Zeitarbeitnehmer. Doch hat in den zurückliegenden Jahren die Zahl
letzterer stetig zugenommen, während die der befristet Beschäftigten
stagniert.
Offensichtlich wiegen die noch bestehenden Lohnunter-
schiede und Produktivitätseffekte durch die Übertragung der Personal-
verwaltung an die Zeitarbeitsunternehmen die dadurch zusätzlich an-
fallenden Kosten mehr als auf.

Da trotz aller Bemühungen, die Arbeitskosten zu senken, die Löhne
in Deutschland im internationalen Vergleich in den kommenden
zehn bis fünfzehn Jahren hoch und die Arbeitszeiten kurz sein wer-
den, werden die Unternehmen bestrebt sein, alle Produktionsfakto-
ren, insbesondere aber den Faktor Arbeit, noch effizienter und das
heißt häufig flexibler als bisher zu nutzen.



Während hoch qualifizierte Spezialisten von der Wirtschaft auch
künftig umworben und gut bezahlt sein werden,
werden die Löh-
ne vor allem von gering und durchschnittlich, zunehmend aber auch
von überdurchschnittlich qualifizierten Arbeitskräften, die Routinetä-
tigkeiten ausüben, sinken. Letztere stehen in unmittelbarem Wett-
bewerb mit immer leistungsfähigeren Maschinen und gut qualifizier-
ten Arbeitskräften im Ausland, die zum Teil wesentlich geringer ent-
lohnt werden. Zur Senkung der Arbeitskosten dürften einzeln oder
im Verbund insbesondere folgende Maßnahmen zur Anwendung
kommen:
= Verlängerung der Wochenarbeitszeit und/oder Verkürzung von
Urlaubszeiten
= Keine oder nur geringe jährliche Lohnzuwächse
= Niedrigere Einstiegslöhne
= Abschaffung des Senioritätsprinzips
Durch diese Maßnahmen werden die bestehenden Lohnunter-
schiede noch größer werden.
Auf die Zeitarbeit wirkt diese zu-
nehmende Lohnspreizung unterschiedlich. Die Spezialzeitarbeit
profitiert von Lohnsteigerungen im oberen Segment, da Unterneh-
men Spezialarbeitskräfte aufgrund ihrer hohen Kosten häufiger zeit-
lich begrenzt einsetzen werden. Dagegen gerät die einfache Stan-
dardzeitarbeit unter Druck. Denn sie wird - abgesehen von ihrer
unmittelbaren Verfügbarkeit - vor allem wegen ihrer niedrigen Kos-
ten genutzt. Durch ein weiteres Absinken der Löhne besteht die Ge-
fahr, dass in den Niedriglohnbereichen die ohnehin geringen Ge-
winnmargen weiter sinken.

Keine Kommentare: