Samstag, 1. August 2009

"Die Kleinen hängt man und die Großen lässt man laufen - das darf und wird es in unserem Rechtsstaat nicht geben"



Unheilbare "paranoid-querulatorischen Entwicklung": Mit dieser fragwürdigen Diagnose wurden in Hessen unliebsame Steuerfahnder aus dem Dienst gedrängt.//spiegel

Die Psychiatrisierung kritischer Geister ist ein Erkennungszeichen diktatorischer Willkür-Regimes. Wer die "gottgegebene" Macht ankratzt, der kann nach dieser Logik nicht wirklich bei Sinnen sein.//HU-Marburg

Auslöser des Streits war ein Erlass aus dem Sommer 2001, der die Fahnder anwies, Geldtransfers ins Ausland nur noch ab einer Höhe von 500 000 DM nachzugehen. Die so Angewiesenen fühlten sich an die Kette gelegt. Weil Steuerhinterzieher ihr Geld oft stückelten, laufe der Erlass auf eine Amnestie durch die Hintertür hinaus.//derWesten

Über die Brisanz der Verfügung war sich Schneider-Ludorff offenbar bewusst - so durfte die Order nicht wie üblich ins Intranet des Amts eingestellt werden. Nicht einmal in die offizielle Amtsregistratur sollte sie aufgenommen werden. Die Empfänger der vierseitigen Anordnung wurden stattdessen einzeln "aktenkundig" gemacht und sollten das Papier in verschlossenen Umschlägen erhalten. //spiegel

Manche der Steuerfahnder protestieren deshalb gegen die Anordnung. Und die Karrieren von vielen dieser Protestierer nahmen in den nächsten sieben Jahren einen bemerkenswert negativen Verlauf.//telepolis

Wegen des hohen Personalaufwandes, den die Bearbeitung der Bankenfälle gerade bei der Frankfurter Fahndungsstelle ausgelöst habe, drohten dort andere wichtige Fälle liegen zu bleiben. Erst die Konzentration auf die "großen Fische" über 500000 Mark habe wieder Luft geschaffen (FR 21.08.03).
Dieses Vorgehen war auch unter den Steuerfahndern umstritten, räumt Weimar ein (FR 21.08.03).//riverside

Der FR liegen Dokumente aus der Verwaltung und Aussagen hochrangiger Beamter vor, die Fragen nach der Rolle des Finanzministeriums aufwerfen. Es zeigt sich ein dichtes Netz der Gängelung, der Einflussnahme und eine Kultur des Kaltstellens unbequemer Beamter. Zudem war es in Hessen offenbar unerwünscht, Steuerhinterziehung in Liechtenstein genauer zu untersuchen.//FrankfurterRundschau

"Die Opposition beruft 2003 einen Untersuchungsausschuss ein, der jahrelang versucht, Licht in die Affäre zu bringen. Oberamtsrat Wolfgang Schad sollte aussagen. Der Steuerfahnder hatte Petitionen geschrieben und wollte die Vorgänge beim Namen nennen. Das sagte Schad zumindest in Gesprächen vor der entscheidenden Sitzung des Ausschusses. Doch am Tag der Anhörung hatte der Zeuge einen "Blackout", konnte sich nicht mehr erinnern.

Das Finanzministerium bestätigte, dass dem Mann zuvor ein höherer Posten im Ministerium angeboten worden war. Der Steuerfahnder nahm das Angebot an. Seitdem kann er sich nicht mehr an diese Dinge erinnern."//GoMoPa

Zu den pikanten Details, die in diesen Tagen im politischen Wiesbaden die Runde machen, gehört auch der Hinweis auf einen Zusammenhang zur Schwarzgeldaffäre der Hessen-CDU im Jahre 2001. Dabei ging es vor allem um die Deponierung illegaler, nicht versteuerter Einkünfte auf »schwarzen Konten« bei Liechtensteiner Banken.//neuesDeutschland

"Die nun aufkeimenden Vorwürfe gegen das Finanzministerium, es hätte so genannte 'Gefälligkeitsgutachten' für 'missliebige' Beamte erstellen lassen, sind null und nichtig. Das zeigt schon die Tatsache, dass die vier mit psychiatrischen Gutachten in den vorzeitigen Ruhestand geschickten hessischen Steuerfahnder keine Rechtsmittel gegen ihr Ausscheiden eingelegt hätten", sagte Milde, der finanzpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion.//FuldaInfo

Zum Jahreswechsel[2004]wird die Steuerfahndung Frankfurt V aufgelöst. Zur Begründung wird angeführt, das die gesamte Steuerfahndung in Hessen umstrukturiert werden soll. Seltsamer Weise, bleibt es aber nur in Frankfurt so. Ein Teil der Beamten dürfen dann in andere Ämter wechseln, ebenfalls wieder zur Steuerfahndung. Die kritischen Stimmen aber, oder diejenegen die man dazu hält, müssen die Fahndung verlassen.//stern-via elaboratus

Eine Petition, die die Steuerfahnder vor über einem Jahr eingereicht haben, hat die Landesregierung nicht beantwortet. Nur soviel: Es habe sich um eine ganz normale Umstrukturierungsmaßnahme gehandelt.//hr:2005

Das Land Hessen bezahlt für einen Steuerfahnder jährlich rund 62.000 Euro. Dieser bringt jedoch rund zwei Millionen Euro Mehreinnahmen an Einkommensteuer, die aufgrund des Länderfinanzausgleichs zum größten Teil an den Bund fließen. Das Land behält lediglich 59.660 Euro. Das heißt: Es bleibt am Ende sogar auf den Kosten sitzen. //Presseanzeiger

Im Rahmen der Lichtenstein-Affäre wurden von Steuerprüfern in Hessen im Durchschnitt 208 € an Nachzahlungen ermittelt während es (nach FR-Angaben) in anderen Bundesländern mindestens 1 000 000 € waren.//yahoo-answers

Zwei der ehemaligen Steuerfahnder waren im Mai mit dem Whistleblower-Preis der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler ausgezeichnet worden - für die Aufdeckung von Steuerhinterziehung der Commerzbank und Deutsche Bank in Höhe von 500 Millionen Euro und ihren Einsatz für den Erhalt effektiver Arbeitsmethoden bei der Steuerfahndung Frankfurt im Kampf gegen Steuerhinterziehung - auch gegen den Widerstand der Finanzverwaltung.//da-imnetz

Die Staatsanwaltschaft der Stadt Frankfurt ermittelt gegen einen Psychiater wegen möglicher Gefälligkeitsgutachten im Auftrag des deutschen Bundeslandes Hessen. //newsblogger


Für die Zulassung zum Steuerberater musste Schmenger sich übrigens psychiatrisch begutachten lassen. Ergebnis: Rudolf Schmenger ist ein freundlicher, kommunikativer, zugewandter Mensch und psychisch kerngesund.
//stern

In Zeiten wie diesen brauche das Land Hessen wohl ein günstiges Steuerklima, meint Ex-Fahnder Schmenger.//FR



Video: Steuer-Razzia in Hessen//hr::18.2.2008
Video: Report Mainz 2009

Eine etwas kürzere Chronologie: 1994 bis 2009